Erste Ergebnisse des KISS-Programms
Auf dieser Seite finden Sie zusammengefasst die Ergebnisse aus:
» Frankfurt
» Hamburg
Ergebnisse aus Frankfurt: KISS wirkt
Das lässt sich gemäß einer nach wissenschaftlichem „Gold-Standard“ des Wirksamkeitsnachweises durchgeführten Studie feststellen
(Körkel, Becker, Happel & Lipsmeier, 2011). In der entsprechenden Untersuchung wurden 113 sozial desintegrierte Drogenabhängige der
„offenen Drogenszene“ Frankfurts, die niedrigschwellige Drogenhilfeeinrichtungen kontaktierten und Interesse an KISS äußerten, per
Zufall entweder einer von 10 KISS-Gruppen oder einer der 10 Warte-Kontrollgruppen zugewiesen (Randomized Controlled Trial). Am Ende der
4-monatigen KISS-Teilnahme bzw. Warte-zeit waren die Teilnehmer der KISS-Gruppe denen einer Warte-Kontrollgruppe in allen konsumbezogenen
Veränderungsindikatoren überlegen: im Rückgang des Gesamtkonsums (30 % versus 6 %), dem Anstieg konsumfreier Tage (19 % versus 3 %) sowie
der Reduktion von Abhängigkeitsdiagnosen (31 % versus 10 %) und drogen-bezogenen Konsumausgaben (36 % versus 3 %, das sind monatliche
Konsumeinsparungen von 244 € [KISS-Gruppe] versus 25 € [Warte-Gruppe]). Die Konsumkosteneinsparungen sind insofern von gesamtgesellschaftlicher
Bedeutung, als damit ein Rückgang an Beschaffungskriminalität und Prostitution einhergeht.
Hohes Veränderungspotential
Im Schnitt konsumierten die TeilnehmerInnen der Studie rückblickend auf die letzten 28 Tage im Schnitt 5,23 Substanzen inkl. Zigaretten und Substitute.
Beachtenswert erscheint der Wunsch nach Veränderung bei 2,77 der im letzten Monat konsumierten Substanzen.
Weniger Entzugsbehandlungen
Die Studie zeigte weiterhin, dass nur 12% der KISS-Teilnehmer, aber 24% der Warte-Klienten während der viermonatigen Programmdauer eine konsumbedingte
stationäre Entgiftungsbehandlung benötigten. Über alle 10 durchgeführten KISS-Gruppen hinweg führte dies zu einer Einsparung von geschätzten 29.000 €
Krankenhauskosten (Social Return on Investment).
Besonders stark fiel der Konsumrückgang bei Crack, Kokain, Benzodiazepinen und Cannabis aus, er war aber auch bei Heroin feststellbar.
KISS wirkt nachhaltig – ein Schritt zur Abstinenz
Die Konsumreduktionen der KISS-Teilnehmer waren auch noch in der Nacherhebung 6 Monate nach Programmende nachweisbar, was für die Nachhaltigkeit des Programms
spricht. Darüber hinaus ließ sich am Ende der Nacherhebungszeit zeigen, dass ein Teil der Klienten Substanzen, die vor KISS-Beginn noch konsumiert worden waren,
nun nicht mehr zu sich nahm und somit abstinent lebte (5% bei Alkohol, 8% bei Cannabis, 13% bei Heroin, 17% bei Crack, 28% bei Benzodiazepinen und 57% bei Kokainpulver).
Auch wenn dadurch angesichts der relativ kurzen Nacherhebungsdauer keine „Dauerabstinenz“ von diesen Substanzen belegt ist, so zeigen diese Ergebnisse doch, dass
das KISS-Programm in der Lage ist, Konsumgewohnheiten „aufzubrechen“ und Schritte in Richtung Sucht-mittelabstinenz anzubahnen.
Ergänzend wurde in dieser Studie festgestellt, dass sowohl Klienten als auch Trainer eine hohe Zufriedenheit mit dem Programm (Inhalte, Struktur, Didaktik,
Arbeitsmaterialien etc.) äußerten und die Haltequote mit 92% sehr hoch war. Mit anderen Worten wird das Programm in der Praxis gut akzeptiert und Klienten,
die erst einmal dabei sind, brechen die Teilnahme in aller Regel nicht ab.
↑ nach oben
Erste Ergebnisse aus Hamburg
Von November 2005 bis März 2006 fand die erste KISS-Gruppe mit 8 KlientInnen
in der Palette in Hamburg statt. Auf diese beziehen sich die folgenden Ergebnisse.
Alle TeilnehmerInnen waren polytoxikoman (s. Abb. 1). Vier der KlientInnen nahmen
an einer Methadonbehandlung teil (KlientInnen M, J, T, Ts).
Die in MI und KISS fortgebildeten MitarbeiterInnen äußern sich mit dem
Ergebnis der Schulung sehr zufrieden und betrachten das Gelernte als
Bereicherung ihrer Arbeit.
Lediglich ein Klient (Hr E) der ersten KISS-Gruppe hat das Programm
vorzeitig abgebrochen (nach Sitzung 1). Während der (in Hamburg nur)
11 Gruppensitzungen waren durchschnittlich 76% der KlientInnen
(bezogen auf die 7 verbliebenen TN) anwesend. Auf Wunsch der KlientInnen,
die nicht an allen Gruppensitzungen teilgenommen hatten, wurden die
versäumten Stunden in Einzelsitzungen nachgeholt (s. Abb. 2). Auf dieser
Basis ergibt sich eine Teilnahme von 89,6% (bezogen auf 7 TN).
Die meisten Teilnehmenden konnten den Konsum ihrer Hauptsubstanz zum Teil
erheblich reduzieren (s. Abb. 3-4).
Die Teilnehmenden haben gezielte Konsumreduktionen auch bei anderen von
ihnen konsumierten Substanzen angestrebt und erreicht. Veränderungen sind
zum Teil auch in anderen Lebensbereichen in Gang gesetzt worden (z.B. Partnerschaft).
Hinsichtlich der Reduktion ihres Drogenkonsums sind die KlientInnen
mit der Unterstützung durch KISS zufrieden (s. Abb. 5).
Die Bewertung der KISS-Sitzungen durch die beiden TrainerInnen fällt
positiv aus (s. Abb. 6).
Schlussfolgerungen
- Es ist möglich, in niedrigschwelligen Einrichtungen verhaltenstherapeutische
Selbstkontrollprogramme (wie „KISS“) anzuwenden, auch wenn Kontext und
KlientInnen auf den ersten Blick ungeeignet für ein solches Angebot erscheinen.
- Auch KonsumentInnen, die der „offenen Drogenszene“ zuzurechnen sind, können zur
Konsumreduktion motiviert werden.
- Die Ergebnisse dieser Studie ermutigen dazu, eine Neuausrichtung des
Angebotsprofils niedrigschwelliger Drogenhilfe vorzunehmen. Dieser angestrebte
„Paradigmenwechsel“ besagt: Zum Profil niedrigschwelliger Drogenarbeit sollte
neben den gängigen Überlebenshilfemaßnahmen (wie Spritzentausch, Notschlafmöglichkeiten,
Versorgung mit Lebensmitteln etc.) auch gehören, den Konsum als solchen zu problematisieren,
zur Konsumveränderung zu motivieren und neben Abstinenz- auch Reduktionsprogramme
vorzuhalten.
Mittlerweile laufen mehrere KISS-Gruppen in Hamburg. Weitere KISS-Gruppen
sind in Hamburg und Frankfurt in Vorbereitung. Ab Herbst wird es
in weiteren Städten KISS-Gruppen geben.